Ein europäischer Klima-Sozialfonds

Hintergrund:

Als Teil des Legislativpakets 'Fit for 55' hat die Europäische Kommission vorgeschlagen, einen Klima-Sozialfonds einzurichten. Mit dem Angriff Putins auf die Ukraine und die steigenden Energiepreise mit großer Wirkungen auf die Unternehmen und Menschen in Europa ist dieser Vorschlag natürlich hochaktuell.

Der Klima-Sozialfonds soll die negativen sozialen Auswirkungen auf Haushalte, schutzbedürftige Personen und Kleinstunternehmen ausgleichen, die sich aus der im Sinne des Green Deals vorgeschlagenen Ausweitung des Emissionshandelssystems auf den Gebäude- und Straßenverkehrssektor (ETS2) ergeben. Denn wie wir erwarten, wird diese Ausweitung die Energie- und Kraftstoffpreise durch Kohlenstoffpreise in die Höhe treiben - und das zu einer Zeit, in der Energiepreise auch durch den Krieg in Europa in die Höhe schnellen.

Zitat von Henrike Hahn, MdEP für die Grünen/EFA und Berichterstatterin für die Stellungnahme zum sozialen Klimafonds im Ausschuss für Wirtschaft und Währung:

Der brutale Angriff Russlands auf die Ukraine mit den steigenden Energiepreisen, aber auch die Klimakrise treffen Haushalte mit niedrigem Einkommen, Frauen und Menschen mit Behinderungen, ältere Menschen oder Kinder ganz besonders stark.

Deshalb muss der Klima-Sozialfonds als ein Instrument eingerichtet werden, das die Ursachen der Energie- und Verkehrsarmut wirksam an ihrer Wurzel bekämpft. Der Fonds soll schon 2024 in Kraft treten und aus den Einnahmen des derzeitigen oder eines reformierten ETS1 sowie zusätzlichen Eigenmitteln finanziert werden - und eben nicht wie von der Kommission vorgesehen aus den Einnahmen eines neu eingerichteten ETS2.

Der Klimasozialfonds soll vor allem langfristige strukturelle Investitionen mit nachhaltiger Wirkung ermöglichen und so die Auswirkungen des Anstiegs der Energie- und Kraftstoffpreise minimieren, indem gleichzeitig die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen verringert wird.

Ein weiterer Teil des Fonds soll aber auch von Energiearmut betroffene Haushalte direkt unterstützen – etwa, indem ihre Energie- und Transportkosten direkt durch energieeffiziente grünen Lösungen gesenkt werden. Für eine solche direkte Unterstützung haben wir eine Obergrenze von 30 Prozent vorgeschlagen. Diese direkte Zuwendung ist ein Novum in der Europapolitik, und zeigt, wie die EU sich für die Menschen direkt stark macht.

Außerdem fordere ich die Kommission als weiteres  Novum dazu auf, ein Energiegeld/Climate Dividend zu evaluieren, das die deutschen Grünen fordern. Damit wird erstmals das Energiegeld auf die europäische instutionelle Bühne gehoben.

 

Was sieht der Vorschlag der Kommission vor?

Der Vorschlag der Kommission sieht vor, dass der Umfang des Klima-Sozialfonds einem bestimmten Anteil der Einnahmen aus der Versteigerung von Emissionszertifikaten im Rahmen des neu geschaffenen Emissionshandelssystems (ETS2) entspricht. Dieses ETS2 soll eine jährlich sinkende Obergrenze für die Emissionen des Straßenverkehrs und des Gebäudesektors einführen.

Der Fonds soll den Mitgliedstaaten Finanzmittel zur Verfügung stellen, mit denen Maßnahmen und Investitionen in Maßnahmen unterstützt werden, beispielsweise:

  • die Steigerung der Energieeffizienz von Gebäuden,
  • die Dekarbonisierung der Heizung und Kühlung von Gebäuden, einschließlich der Integration von Energie aus erneuerbaren Quellen
  • sowie die Gewährung eines verbesserten Zugangs zu emissionsfreier und emissionsarmer Mobilität und Verkehr.

Der Fonds wird auch eine vorübergehende unmittelbare Einkommensunterstützung für sozial schwache Haushalte als Sofortmaßnahme ermöglichen, als Ergänzung zu den mittel- und langfristigen Auswirkungen dieser Investitionen auf die Senkung der Energiekosten und Emissionen.


Welche Änderungen habe ich vorgeschlagen?

In meinem Entwurf der Stellungnahme schlage ich vor, dass der Klima-Sozialfonds vom Inkrafttreten des ETS2 abgekoppelt und proaktiv umgesetzt werden sollte, um die Millionen von Europäer*innen, die derzeit von Energie- und Verkehrsarmut betroffen sind, vor künftigen Energie- und Kraftstoffpreiserhöhungen zu schützen.

Dies ist angesichts der Eskalation des Krieges in der Ukraine und der damit verbundenen Auswirkungen auf die Energiepreise aktueller denn je.

Der Klima-Sozialfonds sollte uns in die Lage versetzen, unsere Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen zu verringern und uns dabei helfen, auf nachhaltige, energieeffiziente und grüne Alternativen umzusteigen.

In meinen Änderungsanträgen schlage ich daher vor, dass der Fonds spätestens 2024 in Kraft treten und aus den Einnahmen des derzeitigen oder eines reformierten ETS1 sowie aus zusätzlichen Eigenmitteln finanziert werden sollte.

Ich betone auch, dass sich der Klima-Sozialfonds in erster Linie auf langfristige strukturelle Investitionen mit nachhaltiger Wirkung konzentrieren soll, um die Auswirkungen eines künftigen Anstiegs der Energie- und Kraftstoffpreise durch die Verringerung der Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen zu minimieren.

Solche Investitionen können etwa sein:

  • die grundlegende Renovierung von Gebäuden
  • die Entwicklung erneuerbarer Energiequellen und Energiegemeinschaften
  • der Aufbau von Kapazitäten sowie Investitionen in die Fahrradinfrastruktur
  • der Aufbau nachhaltiger gemeinsamer Mobilitätsdienste
  • die Finanzierung von Maßnahmen zur Förderung der digitalen Konnektivität in abgelegenen, ländlichen und Insel-Gebieten

In meinen Änderungsanträgen fordere ich auch, dass es möglich sein sollte, einen Teil des Fonds in Form von gezielter und direkter finanzieller Unterstützung für Haushalte in Energiearmut zu verwenden, um deren Energie- und Transportkosten durch den Zugang zu schnellen und energieeffizienten grünen Lösungen zu senken.

Wir dürfen nicht vergessen, dass sich die Klima- und Umweltkatastrophe unverhältnismäßig stark auf stark gefährdete Bevölkerungsgruppen auswirkt: auf wirtschaftlich Benachteiligte, Haushalte mit niedrigem Einkommen, Frauen, diskriminierte Gruppen, Menschen mit Behinderungen, ältere Menschen oder Kinder – und das, obwohl diese Gruppen meist die geringste Verantwortung für die Verursachung der für den Klimawandel verantwortlichen Emissionen tragen.

Es darf ferner keinen geschlechtsneutralen Ansatz geben, wenn es um Energiearmut und den gerechten Übergang geht. Denn Frauen sind unverhältnismäßig stark von Energie- und Verkehrsarmut betroffen – vor allem alleinerziehende Mütter, die 85 % der Alleinerziehenden ausmachen, sowie alleinstehende Frauen oder ältere Frauen, die allein leben. Und wir alle wissen, dass alleinerziehende Familien mit unterhaltsberechtigten Kindern ein besonders hohes Risiko für Energiearmut haben. Es ist daher von entscheidender Bedeutung, dass der Fonds einen geschlechtersensiblen Ansatz in die Konzeption, Vorbereitung und Umsetzung der sozialen Klimapläne und -projekte integriert.

Die Gleichstellung der Geschlechter und die Chancengleichheit für alle sowie die Zugänglichkeit für Menschen mit Behinderungen sollte folglich während der gesamten Konzeption, Vorbereitung und Durchführung der Pläne sichergestellt und gefördert werden, um sicherzustellen, dass niemand zurückgelassen wird.

Mein Ziel für diese Verordnung ist es auch, die umfassende Einbeziehung und das aktive Engagement aller relevanten Stakeholder auf lokaler Ebene über eine formale Konsultation hinaus zu gewährleisten, um dazu beizutragen, Lösungen zu finden, die am besten dafür geeignet sind, die Herausforderungen vor Ort anzugehen und die von den Bürger*innen geführten Projekte und lokalen Gemeinschaften zu stärken.

Der Klima-Sozialfonds that trotz des verhältnismäßig begrenzten Budgets, das derzeit dafür vorgesehen ist, das Potenzial, zu einem Flaggschiff zu werden, mit dem wir in der EU einen sozial gerechten grünen Übergang vollziehen können, der niemanden zurücklässt und der einen doppelten Beitrag zu den sozialen und den Klima-Zielen der EU leistet.

Schließlich fordere ich in meinem Änderungsantrag auch, Möglichkeiten für zusätzliche Unterstützungsmaßnahmen auszuloten. Diese sollten im Rahmen der Überprüfung des Instruments bewertet werden, sollte es zu einer Einigung über die Einführung eines Kohlenstoffpreises im Rahmen des neuen ETS2 für den Straßenverkehr und für Gebäude kommen. Darüber hinaus sollte in diesem Fall auch die Möglichkeit weiter geprüft werden, die zusätzlichen Einnahmen aus dem ETS in Form eines „Energiegelds“ an die europäischen Bürger umzuverteilen.

Ich schlage vor, dass die Kommission bis spätestens 1. Juni 2024 einen Bericht vorlegt, der sich auf eine eingehende Analyse stützt, um

  • die Notwendigkeit und Durchführbarkeit der Einführung einer Klimadividende in Form einer direkten Pro-Kopf-Rückerstattung der durch die Kohlenstoffbepreisung erzielten Mehreinnahmen zu bewerten und
  • zu prüfen, wie eine solche Klimadividende den am stärksten von Energie- und Verkehrsarmut betroffenen Menschen und Gruppen zugute kommen würde.

Dem Bericht ist gegebenenfalls ein Legislativvorschlag beizufügen.

Wie sieht der Zeitplan für die Gesetzgebung aus?

Einreichung meiner Stellungnahme: 28.01.2022
Frist für Änderungsanträge: 17.02.2022
Vorlage des Stellungnahmeentwurfs im ECON-Ausschuss: 28.02.2022
Kompromissverhandlungen: 28.02.2022 - 18.04.2022
Abstimmung im ECON-Ausschuss: 28.04.2022
Voraussichtliche Abstimmung im ENVI-EMPL: Mai 2022
Voraussichtliche Abstimmung im Plenum: Juni 2022

Meine Stellungnahme im Wirtschaftsausschuss ist hier nachzulesen.

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