Pressemitteilung: Henrike Hahn, MdEP (Bündnis 90/Die Grünen) zur Einigung im Wirtschaftsausschuss zu Solvency II: Der Versicherungssektor wird grüner

Der Wirtschafts- und Währungsausschuss (ECON) des Europaparlaments hat heute mit 55 Ja-Stimmen (3 Nein-Stimmen und einer Enthaltung) den Bericht zur Überarbeitung der Solvency II Richtlinie angenommen. Die bayerische Europaabgeordnete Henrike Hahn (Bündnis 90/Die Grünen), stellvertretendes Mitglied im ECON Ausschuss und Schattenberichterstatterin für Solvency II kommentiert:

„Die heutige Abstimmung zu Solvency II ist gerade auch durch ausdrücklichen monatelangen grünen Drucks auf die EVP-Fraktion ein klarer Erfolg für den Klimaschutz. Mit dem Beschluss des Wirtschaftsausschusses sind wir dem Ziel, dass Versicherer sich endlich mit Klimarisiken auseinandersetzen müssen, einen Schritt nähergekommen. Als langfristige Investoren und Risikomanager sind Versicherer von entscheidender Bedeutung für eine erfolgreiche grüne Transformation unserer Wirtschaft.

Die Parlamentsposition zu Solvency II trägt eine klare, grüne Handschrift, in dem sie unter anderem Versicherungsunternehmen dazu verpflichtet, Transitionspläne zu erstellen und zu veröffentlichen, die Nachhaltigkeits- und Übergangsrisiken im Hinblick auf das Geschäftsmodel und die Unternehmensstrategie adressieren.

Ein grüner Erfolg ist auch, dass die Europäische Aufsichtsbehörde für Versicherer (EIOPA) beauftragt werden soll zu untersuchen, ob Versicherer für Klima- und Biodiversitätsrisiken höheres Eigenkapital vorhalten müssen. Es ist jedoch sehr ungut, dass wir nicht schon heute die sogenannte „One-for-one rule“ für Versicherer einführen. Nach dieser Regel müssen Versicherungsunternehmen das Risiko für jeden Euro, der in fossile Investition gesteckt wird, mit einem Euro an Eigenkapital selbst decken. Wenn Versicherer selbst die Entscheidung treffen, in Zeiten des Klimawandels auf fossile Investitionen zu setzen, ist nicht erklärbar, warum die europäischen Steuerzahler*innen hierfür pauschale Rückendeckung geben sollen.

Mit dem heutigen Beschluss setzen wir wichtige Anreize für Versicherer, nicht mehr in fossile Projekte zu investieren und diese zu versichern. Eine angemessene Risikobewertung von fossilen Investitionen im Hinblick auf die Eigenkapitalanforderungen ist ohne die „One-for-one rule“ jedoch weiterhin nicht möglich.

Es ist hochproblematisch, dass die EVP in Zusammenarbeit mit der rechtsextremen ID-Fraktion massive Kapitalerleichterungen für Versicherer erzielen konnte. Hier spielt großer Lobbydruck zum potentiellen Nachteil der Bürger*innen in Europa eine ungute Rolle, dem sich gebeugt wurde.

Trotz guter Schadensbegrenzung durch widersprechende fraktionsübergreifende Zusammenarbeit ist der Rückgang der Kapitalanforderungen in Zeiten erhöhter Finanzstabilitätsrisiken besonders gefährlich und stellt das Geld von Versicherungsnehmer*innen und Steuerzahler*innen aufs Spiel.

Ein schöner Erfolg ist auch, dass dank unserer grünen Initiative das Risiko, dass von Crypto-Wertanlagen ausgeht, in der Zukunft besser bemessen wird in den Eigenkapitalanforderungen. Damit machen wir den Versicherungssektor sicherer.“

Für weitere Fragen stehe ich gerne zu Verfügung.

 

Briefing zur Abstimmung am 18.07.2023

Die Position des Europaparlaments zur Überarbeitung der Solvency II Richtlinie, die den aufsichtsrechtlichen Rahmen für Versicherer auf Ebene darstellt, wurde am Dienstag, den 19. Juli im Wirtschafts- und Währungsausschuss zur Abstimmung gestellt.

Die Position des Europaparlaments erhielt eine Mehrheit: 55 Abgeordnete stimmten dafür, 3 dagegen und eine*r enthielt sich der Stimme.

Die Überarbeitung der Richtlinie zielt unter anderem darauf, die Zusammenarbeit zwischen Aufsichtsbehörden zu verbessern und Aufsichtsbefugnisse zu stärken, Klimarisiken stärker in die Berichterstattung und das Risikomanagement von Unternehmen zu integrieren und die Informationspflichten gegenüber Versicherungsnehmern zu verbessern.

Nach komplizierten Verhandlungen im Europaparlament, können im September dann die Trilog Verhandlungen mit dem Rat der Europäischen Union und der Europäischen Kommission beginnen. Der Rat hatte bereits am 20. Dezember 2022 seine Position zu Solvency II beschlossen.

 

Die Grüne Analyse

Langfristige Garantien und Beteiligungen:

  • Über die Berechnung der langfristigen Garantien und Beteiligungen wird definiert, wieviel Eigenkapital Versicherer vorhalten müssen, um die Forderungen ihrer Kunden in der Zukunft zu erfüllen.
  • Trotz einiger Schadensbegrenzung, konnten wir uns final nicht komplett gegen den Schulterschluss der EVP und der rechtsextremen ID-Fraktion für mehr Eigenkapitalerleichterungen durchsetzen, auch weil der Vorschlag der Kommission bereits eine Reduktion der Kapitalanforderungen enthielt.
  • Damit wird der Versicherungssektor in der Zukunft instabiler.
  • Außerdem können große Versicherungsunternehmen weiter auf sogenannte interne Modelle zurückgreifen für die Berechnung ihrer Kapitalanforderungen, welches oft zu deutlich niedrigeren Anforderungen führt. Der Kommissionsvorschlag hatte vorgesehen, dass solche Unternehmen zumindest die Kapitalanforderungen, die sich aus der Anwendung der Standardformel ergeben hätten, an Aufsichtsbehörden offenlegen müssen. Dieser Aspekt wurde jedoch von der EVP Fraktion blockiert.
  • Das Risiko, dass von Crypto-Wertanlagen ausgeht, wird in der Zukunft besser bemessen in den Eigenkapitalanforderungen.

 

Nachhaltigkeit und Governance:

  • Versicherer sind verpflichtet, im Rahmen ihrer Risiko- und Solvenzbewertung Klimaszenario Analysen zu erstellen.
  • Versicherer müssen Transitionspläne erstellen, einschließlich Zielen und Meilensteinen, und diese müssen offengelegt werden. So kann in Zukunft das Engagement von Versicherern für die Dekarbonisierung und den Klimaschutz verfolgt werden.
  • EIOPA wird beauftragt zu untersuchen, ob Versicherer für Klima- und Biodiversitätsrisiken höheres Eigenkapital vorhalten müssen. Die „One-for-one rule“ wird für Versicherer jedoch leider noch nicht eingeführt.
  • Nachhaltigkeitsrisiken sollen veröffentlicht und in Risikomanagementprozesse integriert werden. Versicherer müssen außerdem die Auswirkungen ihrer Anlageentscheidungen auf ESG-Faktoren berücksichtigen.

 

Weitere Themen:

  • Die grenzübergreifende Zusammenarbeit von Aufsichtsbehörden wird verbessert zur Vollendung des Binnenmarktes.
  • Aufsichtsbehörden erhalten neue makroprudenzielle Befugnisse im Falle von Liquiditäts- oder Finanzkrisen.
  • Versicherungsnehmer werden in Zukunft einfache und gezielte Informationen zur Zahlungsfähigkeit und Finanzlage ihres Versicherers erhalten.
  • Versicherungsunternehmen müssen ihre Bilanz einer regelmäßigen Prüfung unterziehen.  

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