Warum 2021 ein entscheidendes Jahr für unser Klima und unsere Umwelt sein wird

Als „Europas Mann-auf-dem-Mond-Moment“ – so hatte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am 11. Dezember 2019 den Europäischen Green Deal, Europas neue, nachhaltige Wachstumsstrategie, angekündigt. Das Ziel: Europa bis 2050 zum ersten klimaneutralen Kontinent zu machen. Wir Grüne kämpfen schon lange für den Green Deal, aber seitdem wurde auch in Brüssel dazu viel diskutiert und gerungen. Wo stehen wir auf dem Weg zum grünen Europa aktuell? Was liegt bereits hinter uns und, noch wichtiger: Was noch vor uns?

 

Rückblick auf 2020

Fest steht: 2021 wird ein entscheidendes Jahr für die europäische Klimapolitik werden. Bereits im vergangenen Jahr haben wir im Parlament erste Legislativvorhaben auf den Weg gebracht, die jetzt von der Kommission geprüft werden.

Ich selbst war beim ersten Gesetzesvorhaben des Green Deals Berichterstatterin für den gesamten Wirtschaftsausschuss für den „Fonds für einen gerechten Übergang“(Just Transition Fund) – hier konnten die Fraktionen erstmals zeigen, wie ernst sie es mit dem Green Deal wirklich meinen. Ich setze mich schon lange für die ökologisch-soziale Transformation der Wirtschaft ein, für uns Grüne ist das schon lange ein zentrales Thema. Als Teil des „Mechanismus für einen gerechten Übergang“ soll der Fonds Finanzmittel in Höhe von rund 17,5 Milliarden Euro für Regionen zur Verfügung stellen, die besonders stark von fossilen Brennstoffen und kohlenstoffintensiven Industrien abhängig sind. Das betrifft besonders die europäischen Kohleregionen. Durch den Fonds soll auch die Wirtschaft diversifiziert und neue Arbeitsplätze geschaffen, kleine und mittlere Unternehmen sowie Start-ups verstärkt gefördert und Innovation und Forschung vorangetrieben werden.

Ein ganz persönlich großer Erfolg für mich: Ich konnte mich in den Verhandlungen auch mit Rat und Kommission – den sogenannten „Trilogverhandlungen“ – zusammen mit meinen grünen MdEP-Kolleg*innen erfolgreich dafür einsetzen, dass im Just Transition Fund keine fossile Brennstoffe gefördert werden. Mehr zum Fonds für einen gerechten Übergang gibt es hier zu lesen.

Ein zweiter Bericht, der noch 2020 vom Parlament verabschiedet wurde und der ebenfalls Teil des Mechanismus für einen gerechten Übergang ist, ist die Darlehensfazilität für den öffentlichen Sektor. Sie soll mit 1,5 Milliarden Euro aus dem EU-Haushalt und zusätzlichen 10 Milliarden Euro Darlehen von der Europäischen Investitionsbank die öffentliche Hand beim Übergang zu einer klimaneutralen Wirtschaft unterstützen. Auch hierfür bin ich Berichterstatterin für den Wirtschaftsausschuss. Seit Ende Januar 2021 finden dazu die Trilogverhandlungen mit Rat und Kommission statt, die noch nicht abgeschlossen sind. Mehr zu unseren grünen Forderungen könnt Ihr hier nachlesen.

Im November hat das Parlament außerdem die „neue Industriestrategie für Europa“ verabschiedet, die jetzt im April ein Update bekommen wird. Das ist ungeheuer wichtig für uns Grüne. Denn die europäische Industrie ist einer der größten Verursacher von Treibhausgasen. Eine ambitionierte europäische Industriestrategie ist daher nicht nur dringend notwendig, um die Ziele des Green Deals und die Pariser Klimaziele zu erreichen. Mit den richtigen Leitlinien und Anreizen kann sie außerdem ein entscheidender Motor für Umwelt- und Klimaschutz sein.

 

Mehr grünes Geld aus dem EU-Haushalt

Zudem wurden mit der Verabschiedung wichtiger Finanzpakete entscheidende Weichen für die EU-Gesetzgebung gestellt. In deren Kern steht der Mehrjährige Finanzrahmen (2021-2027), wie der langfristige EU-Haushalt genannt wird, und auf den sich Rat, Kommission und Parlament schließlich im Dezember – nach langem Ringen mit Ungarn und Polen um den neuen Rechtsstaatsmechanismus – geeinigt hatten. Wir Grüne konnten bei den Verhandlungen erreichen, dass mindestens 30 Prozent des Haushalts für Klimaschutz ausgegeben werden. Von den 673,5 Milliarden Euro des Wiederaufbaupakets RRF, das als Konjunkturpaket nach der Corona-Krise beschlossen wurde, müssen 37 Prozent in Klimaschutz investiert werden. 30 Prozent sollen außerdem über Green Bonds finanziert werden.

Für den Mehrjährigen Finanzrahmen gilt außerdem erstmals das sogenannte ‚Do-No-Significant-Harm‘-Prinzip – das bedeutet, dass mit dem Geld keine umweltschädlichen Technologien gefördert werden dürfen und damit auch keine fossilen Brennstoffe. Was als nachhaltiges Projekt definiert wird, wird in der EU-Taxonomie-Verordnung festgelegt werden, die aktuell erarbeitet wird.

Ich selbst bin grüne Schattenberichterstatterin im Haushaltsausschuss für den EU Haushalt 2022 (Section 43); wir arbeiten gerade an den Richtlinien dafür. Zusammen mit meinen grünen Kolleg*innen habe ich dafür als grüne Schwerpunkte Klima, Biodiversität und Forschung und Entwicklung angegeben. Für eine grüne Industriepolitik brauchen wir eine starke Forschung, damit wir unsere Klimaziele erreichen können.


„Fit for 55“: Das Herzstück des Green Deals

Das „dickste“ Paket im Rahmen des Green Deals steht für dieses Jahr auf der Agenda der Kommission. Im sogenannten „Fit for 55“-Paket sind alle Aktualisierungen und Initiativen zur Umsetzung der Ziele des Green Deal. Das Gesetzespaket, das die Kommission im Juni diesen Jahres auf den Tisch bringen will, ist ein ordentliches „Mammutpaket“. Denn mit dem verschärften Klimaziel, mit dem die Treibhausgasemissionen in der EU bis 2030 um mindestens 55 Prozent – wir Grüne fordern nach wie vor 65 Prozent, das Parlament hatte sich im vergangenen Oktober auf die Forderung von 60 Prozent geeinigt – reduziert werden sollen, müssen auch alle bestehenden Gesetze und Regelungen aus den Bereichen Energie und Klima entsprechend angepasst und nachgeschärft werden. Bisher enthält das Paket lediglich Ankündigungen, welche Gesetze überarbeitet werden sollen. Für das Parlament und besonders für uns Grüne wird daher entscheidend sein, wie wir jetzt unsere Forderungen in die vorgeschlagenen Änderungen der Kommission einbringen können.

Dazu gehören unter anderem:

  • Die Potenziale einer effektiven Energiebesteuerung zu nutzen: Die Überarbeitung der Energiebesteuerungsrichtlinie von 2003 (im 2. Quartal) und damit ein möglicher neuer Steuermechanismus muss sich zukünftig an möglichen Schäden für Umwelt und Klima messen lassen. Durch Belohnungsmechanismen für klimafreundliche und ressourceneffiziente Produktionspraktiken sowie die Integration des „Polluter-Pays“-Prinzips durch eine CO2-Steuer ist es möglich, gute und richtige Anreize für nachhaltige Praktiken zu setzen. Welche positiven Chancen eine neue Energiebesteuerungsrichtlinie auch für eine klimaneutrale Wirtschaft bietet, berichte ich in der aktuellen Ausgabe des Parliamentary Magazine. Im Zuge der Reform richtet sich der Blick besonders auch auf die deutsche Bundesregierung und die zentrale Frage, ob sie ihre Haltung gegenüber der Energiebesteuerung in Einklang mit allermindestens den Pariser Klimazielen bringen wird. Beim letzten Reformversuch war das nicht der Fall.
  • Die Einführung eines effektiven CO2-Grenzausgleichsmechanismus (2. Quartal): Ein CO2-Grenzausgleichsystem kann die Verlagerung CO2-intensiver Industrien in andere, weniger regulierte Länder verhinderen und dadurch für faire Wettbewerbsbedingungen zwischen den Mitgliedstaaten und Industrieproduzenten weltweit sorgen. Der Umweltausschuss im Parlament fordert diesen ’Mechanismus’ bis 2023.
  • Aktuell entfallen rund 40 % des Primärenergieverbrauchs in der EU auf den Gebäudesektor. Wir brauchen daher unbedingt eine höhere Energieeffizienz durch die Überarbeitung der Energieeffizienz-Richtlinie (2. Quartal), etwa durch eine verpflichtende Renovierung aller öffentlichen Gebäude.
  • Auch die Anpassung der Erneuerbare-Energien-Richtlinie (2. Quartal) muss an das ehrgeizigere Klimaziel angepasst werden. Sie muss den Weg frei machen für einen massiven Ausbau besonders der Solar- und Windenergie und zu 100 Prozent auf Erneuerbare Energien ausgerichtet sein – und darf keine „kohlenstoffarmen Kraftstoffe“ fossilen oder nuklearen Ursprungs fördern.
  • Eine entscheidende Rolle neben der Anpassung von Zahlen und Parametern an das neue Klimaziel werden auch potenzielle architektonische Neuerungen gesetzlicher Regelungen spielen. Von zentraler Bedeutung ist dabei das Emissionshandelssystems (EHS), über das bislang die Treibhausgasemissionen von Industrie und Energie geregelt werden, sowie die Lastenverteilungsordnung, die verbindliche Jahresziele für die Reduzierung von Emissionen für die restlichen Wirtschaftssektoren (etwa Verkehr, Gebäude, Landwirtschaft) festlegt. Der Unterbietung dieser Ziele durch die Mitgliedstaaten in diesen Sektoren darf jedoch nicht, wie von der Kommission erwogen wird, mit einer komplexeren Neustrukturierung der EHS-Verordnung entgegengewirkt werden – denn eine solche würde nach Ansicht von uns Grünen die bereits geringen Ambitionen der Länder für starke Gesetze noch stärker drücken. Stattdessen brauchen wir stärkere sektorale Gesetze und höhere, national verbindliche Ziele.

Die vollständige Liste mit allen Gesetze, die im Rahmen des „Fit for 55“-Pakets überarbeitet werden sollen (inklusive Zeitplan), ist hier zu finden.

 

Ausblick: Wie geht es jetzt weiter?

Aktuell laufen die Trilogverhandlungen zum Klimaziel, deren Ergebnis die Effektivität des Reformpakets entscheidend beeinflussen wird. Spätestens bis Mai will die Kommission ihre Entwürfe dann zur Prüfung an ein Expertengremium geben. Erste Beratungen innerhalb der Kommission sind ab Mai/Juni zu erwarten.

Im „Superklimajahr“ 2021 kann aber nicht nur die Politik die Weichen dafür stellen, um allermindestens das 1,5-Grad-Ziel einzuhalten. Es ist auch an uns als Bürger*innen und an der Wirtschaft, ihren Beitrag zu leisten. Viele Unternehmen haben die Dringlichkeit bereits erkannt und ihren Willen, nachhaltiger zu wirtschaften, erklärt. Den Weg in ein klimaneutrales Europa können wir also nur gemeinsam – in enger Abstimmung mit den Bedürfnissen von Unternehmen und der Zivilgesellschaft – erfolgreich und rechtzeitig gehen.

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