Reform des europäischen Wahlrechts: Einführung transnationaler Listen bei der Europawahl

Das Europäische Parlament arbeitet derzeit an einer Reform des europäischen Wahlrechts. Ein erster Meilenstein ist genommen: Am Montag, 28. März wurde im Verfassungsausschuss des Europaparlaments mit großer Mehrheit der Vorschlag für eine grundlegende Reform angenommen, basierend auf einer Einigung der vier größten Fraktionen EVP, S&D, Renew und Die Grünen/EFA.

Ein riesiger Erfolg für die europäische Demokratie ist die Einführung so genannter transnationaler Listen. Um die Europawahl zu einer echten europäischen Wahl zu machen, wird ein EU-weiter Wahlkreis mit 28 Sitzen für Europaabgeordnete geschaffen, zusätzlich zu den bereits bestehenden 705 Sitzen im Europäischen Parlament. Die Wählerinnen und Wähler hierzulande können dann nicht nur mit einer Stimme eine deutsche Partei wählen, sondern ein zweites Kreuz auf einer europaweiten Liste machen, auf der Kandidat*innen aus mindestens 14 EU-Mitgliedstaaten stehen. Erstmals träten Politiker*innen tatsächlich europaweit zur Wahl an und müssten ihre Programme den Wähler*innen von Lissabon bis Helsinki erklären - auf der Basis europaweiter Wahlprogramme statt widersprüchlicher nationaler Wahlversprechen von Mitgliedern der gleichen Parteienfamilie. Endlich bekommen die Bürgerinnen und Bürger mehr Einfluss darauf, wer Kommissionspräsident*in wird. Denn ein europaweites Votum für die Besetzung der europäischen Top-Jobs wird sich nur schwierig im Hinterzimmer umdrehen lassen. Für diese transnationalen Listen haben wir Grünen uns schon seit vielen Jahren eigesetzt.

Die Einigung auf das neue Wahlrecht enthält weitere große Fortschritte: Um die Geschlechtergerechtigkeit zu stärken, sollen Wahllisten quotiert oder nach dem Reißverschlussverfahren aufgestellt werden. Außerdem soll für Europawa16hlen das Wahlalter auf 16 Jahre abgesenkt werden, sofern das nicht durch nationale Verfassungen anders geregelt wird.

Die bittere Pille des Kompromisses ist die Einführung einer Sperrklausel von 3,5 Prozent. Nur Parteien, die diese Hürde nehmen oder Parteien, die in mehr als sieben EU-Mitgliedstaaten unter dem gleichen Namen  antreten und mehr als 1 Million Stimmen erreichen, würden demnach ins Europäische Parlament einziehen. Als Grüne im Europäischen Parlament sind wir gegen die Einführung einer Prozenthürde und haben hart gegen diesen Teil der Einigung gekämpft. Letztlich war dies der Preis, den vor allem die Christdemokraten für die Einführung transnationaler Listen gefordert haben. Die demokratieschädliche Sperrklausel ist für uns nur in Abwägung mit dem großen Demokratiefortschritt durch europäische Wahllisten tragbar.

Wie geht es jetzt weiter?

Die Einigung wird im nächsten Schritt im Plenum zur Abstimmung gestellt. Der Vorschlag für die Wahlrechtsreform des Europäischen Parlaments wird dann im Rat der EU-Mitgliedstaaten beraten und kann dort noch verändert werden. Die Reform wird dann erneut dem Europäischen Parlament zur finalen Abstimmung vorgelegt, wobei dieses nur in Gänze zustimmen oder ablehnen kann. Alle Regierungen müssen der Wahlrechtsreform zustimmen.

Nach Abschluss des europäischen Gesetzgebungsprozesses muss der Europäische Wahlrechtsakt in den EU-Mitgliedstaaten ratifiziert werden, in Deutschland durch den Bundestag und den Bundesrat.

Bereits in der vergangenen Legislatur wurde eine Reform des Europäischen Wahlrechtakts angestrebt. Allerdings ist der Vorschlag so weit verwässert worden, dass im Wesentlichen nur die Prozenthürde übrig blieb. Dieser Wahlakt ist bislang nicht in Deutschland ratifiziert worden.

Mit dem aktuellen Vorschlag liegt nun ein neuer Europäischer Wahlrechtsakt vor, der ein einheitliches europäisches Wahlrecht mit teils transnationalen Listen enthält. Wir fordern die EU-Mitgliedstaaten auf, den Vorschlag des Europäischen Parlaments zügig zu beraten und die großen Erfolge nicht zu verwässern. So könnten bereits bei der Europawahl 2024 transnationale Listen zum Einsatz kommen.

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