
Die Erwartungen an die deutsche EU-Ratspräsidentschaft waren im Vorfeld groß – auch von uns Grünen Europaabgeordneten. Unsere Zwischenbilanz fällt jedoch durchwachsen aus.
Klar ist: Die Covid-19-Pandemie hat den deutschen Vorsitz im Ministerrat vor unvorhergesehene und erhebliche Herausforderungen gestellt. Klar ist aber auch: die deutsche Ratspräsidentschaft hat durch Verzögerungstaktiken und einen mangelnden Willen zum Dialog mit dem Parlament ein Voranschreiten in wichtigen Zielen blockiert. Das betrifft besonders die Verhandlungen zum Klimagesetz und eine klare Positionierung zur Umsetzung des Green Deals. Anfang Oktober hatte sich das Parlament in einem historischen Schritt auf eine Reduktion der Treibhausgase um 60 Prozent geeinigt und damit den bestehenden Vorschlag der Kommission verschärft. Allerdings zögert Deutschland auch hier eine Einigung hinaus und bremst damit die Erreichung der Pariser Klimaziele zum Jahresende aus. Eine ähnliche Verschleppung beobachten wir aktuell bei den Verhandlungen zur neuen Gemeinsamen Agrarpolitik, kurz GAP. Der angekündigte „Systemwechsel“ in der Landwirtschaftspolitik bleibt ferner mit dem aktuellen Entwurf gänzlich aus.
Auch beim Green Deal lässt die deutsche Ratspräsidentschaft Ambitionen vermissen und schweigt sich zur grünen Transformation der Wirtschaft aus, was sich auch in der von der Kommission vorgelegten Industriestrategie ausdrückt. Gerade in der Industrie- und Energiepolitik muss die deutsche Bundesregierung Führung zu übernehmen und die Dekarbonisierung der Industrie vorantreiben. Hier passiert klar zu wenig, auch wenn es in einigen Bereichen, etwa den EU-Sanktionsmechanismen für Menschenrechtsverletzungen, durchaus Fortschritte zu verzeichnen gibt. Die entscheidende Chance, die EU-Klimapolitik in die richtigen und zukunftsgerichteten Bahnen zu lenken, hat die deutsche Ratspräsidentschaft bisher leider verpasst.
Auch die Covid-19-Pandemie rechtfertigt diese enttäuschende Untätigkeit der deutschen Bundesregierung hinsichtlich vieler grüner Themen nicht. Noch bleiben uns knappe zwei Monate, hier das Ruder herumzureißen, wenn überhaupt möglich. Es gibt also noch viel zu tun.
Die Grüne Europagruppe hat einen Bericht zur Zwischenbilanz veröffentlich, der hier auf der Website nachzulesen ist. Wir haben hier als Delegationsleitung, der ich als stellvertretende Delegationsleiterin angehöre, unsere Positionen in der Delegation zusammengefasst.
Die Aufzeichnung des Webinars könnt ihr auf dem Youtube-Kanal der Grünen Europagruppe nachträglich ansehen. Mein Beitrag zur Debatte ist von Min. 13:19 bis Min. 15:12 zu sehen.
In der Presse wurde unser Beitrag in der Süddeutschen Zeitung angenommen.