Der EU-Haushalt 2022 könnte der grünen Transformation den entscheidenden Schub geben – aber noch ist nichts entschieden!

Am Dienstag, den 8. Juni hat EU-Kommissar Johannes Hahn den EU-Haushaltsentwurf 2022 im Haushaltsausschuss des Europäischen Parlaments vorgestellt. Es ist eine essentielle Aufgabe, die EU-Steuergelder in Zeiten von Covid-19 und Klimakrise optimal auszugeben.

Der EU-Haushaltsentwurf 2022 sieht Verpflichtungen in Höhe von insgesamt 311,3 Milliarden Euro vor. Von den 311,3 Milliarden Euro stammen 167,8 Milliarden Euro aus dem regulären Haushalt (was in etwa 1,13 % des BNE der EU entspricht) und 143,5 Milliarden Euro aus dem Corona-Wiederaufbauprogramm. Das ist ein leichter Rückgang im Vergleich zu den Verpflichtungen von 333,4 Milliarden Euro im Jahr 2021.

Dieser Haushaltsentwurf ist ein guter Anfang. Es bedarf jedoch einer detaillierten Analyse und einiger Anpassungen in den kommenden Verhandlungen, damit wir einen EU-Haushalt bekommen, der wirklich zu einer grünen, inklusiven und innovativen EU beiträgt.

Im Kontext des Green Deals muss der EU-Haushalt 2022 für die Grünen/EFA drei klare Prioritäten haben: Klimaschutz, Biodiversität und Forschung & Entwicklung. Der Zeitrahmen, um allermindestens die Pariser Klimaziele zu erreichen, wird immer enger. Wir brauchen einen Haushalt, der den Green Deal wirklich in den Mittelpunkt stellt, um unsere CO2-Emissionen bis 2030 um mindestens 55 % zu reduzieren. Das Europäische Parlament fordert diesbezüglich eine Reduzierung von 60 %, während die Wissenschaft eine Reduzierung von 65 % fordert – was auch die Position der Grünen/EFA ist.

Im aktuellen Haushaltsentwurf begrüßen wir einige Mittelerhöhungen, wie z. B. beim Innovationsprogramm Horizon Europe. Die Europäische Kommission plant hier eine Erhöhung um 5,8 % auf 12,2 Milliarden Euro, was zu einem großen Teil auf den Verhandlungserfolg des Europäischen Parlaments und der Grünen/EFA im Dezember 2020 zurückzuführen ist. Für uns Grüne ist es entscheidend, dass vor allem Start-ups sowie kleine und mittlere Unternehmen von den EU-Innovationsprogrammen profitieren. Denn wir brauchen eine starke und innovative Forschung und Entwicklung, um die Dekarbonisierung der Wirtschaft, den grünen Übergang der europäischen Industrie und die Klimaneutralität der EU bis spätestens 2050 zu erreichen. Die grüne Transformation wird Arbeitsplätze schaffen und Wachstum ermöglichen, um die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie einzudämmen.

Auch andere EU-Programme, die für die Grünen/EFA besonders wichtig sind, werden im Haushaltsentwurf gestärkt. So soll etwa Erasmus+ auf 3,3 Milliarden Euro aufgestockt werden, was einer Steigerung von 26,4 % gegenüber dem Vorjahr entspricht. Das ist für uns sehr wichtig, denn die Mobilität junger Menschen und der interkulturelle Austausch haben unter der Pandemie sehr gelitten.

Wir unterstützen auch nachdrücklich die Aufstockung der Mittel für das Programm Creative Europe, das insbesondere dem Kultur- und Kreativsektor zugutekommt, der von der Corona-Krise ganz besonders hart getroffen wurde. Im Haushaltsentwurf werden die Mittel im Vergleich zum Vorjahr um 30,9 % auf 401 Millionen Euro erhöht.

Auf der anderen Seite wurde das Budget für Frontex um 49,7 % auf 758 Millionen Euro erhöht. Wir Grüne werden dafür kämpfen, dass dieses Geld aber auch in mehr Personal zur Überwachung der Grundrechte fließt, wie in den Haushaltsleitlinien des Europäischen Parlaments vereinbart.

Da der EU-Haushalt 2022 in den Mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) 2021-2027 eingebettet ist, muss er den Regeln des MFR folgen. Das im MFR verankerte „Do-no-harm“-Prinzip stellt sicher, dass keine EU-Gelder in klimaschädliche Projekte fließen. Und der Rechtsstaatlichkeitsmechanismus ermöglicht Sanktionen bei Verstößen gegen die Rechtsstaatlichkeit.

Außerdem verlangen die Regeln des MFR, dass mindestens 30 % der Haushaltsgelder für Klimaschutz ausgegeben werden. In diesem Jahr wird die Klimaquote durch das Corona-Wiederaufbauprogramm fast 54 % erreichen. Das entspricht unserer grünen Forderung nach mindestens 50 % klimaschutzbezogene Ausgaben. Nach dem Auslaufen des Corona-Wiederaufbauprogramms ist in den kommenden Jahren jedoch mit einer deutlich geringeren Klimaquote zu rechnen. Wir werden weiter dafür kämpfen, dass mindestens die Hälfte des Haushalts für Klimaschutz ausgegeben wird.

Ein weiteres wichtiges Thema für uns ist die Ausgabenquote für Biodiversität. Expert*innen sind sich weitgehend einig, dass Klimawandel und Biodiversität zusammenhängen und wir beides schützen müssen, um unsere Ökosysteme zu retten. Daher begrüßen wir die Ausgabenquote von 8,26 % für Biodiversität im Haushaltsentwurf als sehr guten Ausgangspunkt. Da es jedoch noch keine aktualisierte Methodik zur Erfassung von Biodiversitätsausgaben gibt, handelt es sich hierbei um eine Ex-ante-Schätzung (Vorabschätzung) auf der Grundlage der alten Methodik.

Der wichtigste politische Kampf um die Biodiversität im Haushalt wird in der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) ausgetragen, wo über 70 % der biodiversitätsbezogenen Ausgaben anfallen. Insgesamt entfallen auf die GAP 53,0 Milliarden Euro. Um die im MFR vereinbarte Biodiversitäts-Ausgabenquote von 10 % bis 2026 zu erreichen, müssen wir alles daran setzen, um eine ökologische Reform der GAP zu realisieren, sonst werden die Ausgabenquoten kaum zu erfüllen sein.

Die nächsten Verfahrensschritte für den Haushalt sind klar: Zuerst beschließt der Rat seinen Standpunkt zum Haushalt und dann entscheidet das Europäische Parlament über seine Stellungnahme dazu. Anschließend beginnen in der Regel im Spätherbst 2021 die Vermittlungsverhandlungen, um einen Kompromiss zwischen dem Europäischen Parlament und dem Rat zu erreichen, der dann von den beiden Gesetzgebern genehmigt wird.

In diesen Verhandlungen werden wir Grüne sehr entschlossen dafür kämpfen, dass der endgültige EU-Haushalt 2022 die hohen Standards der Klimaziele erfüllt und die sozial-ökologische Transformation unterstützt.

Hinweis: Dieser Artikel ist am 11. Juni in englischer Sprache bei New Europe erschienen.

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